
Der Entwurf zur Reform der geförderten privaten Altersvorsorge (pAV), der von Bundesfinanzminister Christian Lindner vorgestellt wurde, soll die private Altersvorsorge in Deutschland grundlegend modernisieren. Das Ziel ist, diese flexibler, transparenter und attraktiver zu gestalten, besonders im Hinblick auf die Anforderungen und Lebensentwürfe von heute. Der Vorschlag stößt auf breite Zustimmung, aber auch auf kritische Stimmen hinsichtlich der Absicherung von Rentenrisiken.
So soll die zukünftige Förderung der privaten Altersvorsorge gestaltet werden:
- Altersvorsorgende mit niedrigen Einkommen sowie Berufseinsteiger erhalten zusätzliche Unterstützung durch feste Erhöhungsbeträge.
- Die Grundzulage beträgt zukünftig 20 Cent für jeden Euro an eigener Sparleistung, bis zu einem Höchstbetrag von 3.000 Euro (ab 2030 bis zu 3.500 Euro).
- Für jedes Kind wird eine Kinderzulage von 25 Cent für jeden Euro an eigener Sparleistung gewährt, bis zu maximal 300 Euro pro Kind.
- Geringverdiener erhalten zusätzlich einen Bonus von 175 Euro.
- Berufseinsteiger erhalten für drei Jahre einen Bonus von 200 Euro pro Jahr.
- Es wird ein renditeorientiertes und kostengünstiges Altersvorsorgedepot gefördert, das keine Garantieanforderungen enthält. Alternativ gibt es Garantieprodukte mit einer Kapitalgarantie zu Beginn der Auszahlungsphase, wählbar mit einer Garantie von 80 Prozent oder 100 Prozent.
- Die Produkte werden standardisiert, mit klarem Fokus auf Altersvorsorge.
- Es wird eine stärkere Trennung zwischen Anspar- und Auszahlungsphase eingeführt. Vor der Auszahlungsphase kann ein Anbieterwechsel durchgeführt werden. In der Ansparphase ist ein kostenfreier Wechsel nach fünf Jahren möglich.
- In der Auszahlungsphase kann zwischen einer lebenslangen Leibrente oder einem Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr gewählt werden, ohne dass eine Restverrentungspflicht besteht. Die Altersgrenze für den Beginn der Auszahlungsphase wird auf 65 Jahre angehoben.
- Es wird eine digitale Vergleichsplattform eingerichtet, die kostenlos zugänglich ist. Alle Anbieter zertifizierter Altersvorsorgeprodukte müssen sich an diese Plattform anschließen.
- Bürokratieabbau wird weiter vorangetrieben, unter anderem bei der Förderung der Eigenheimrente.
- Für bereits bestehende Riester-Verträge gibt es Verbesserungen, zum Beispiel durch eine Erhöhung des Sonderausgaben-Höchstbetrags auf 3.500 Euro. Zudem wird auf eine Restverrentung verzichtet, wenn ein Auszahlungsplan im Konsens der Vertragsparteien gewählt wird. Eine förderunschädliche Übertragung auf ein neues Altersvorsorgeprodukt ist ebenfalls möglich.
Überblick der Reformpläne
Das Reformgesetz zielt darauf ab, private Altersvorsorgeprodukte wie Riester-Renten oder Rürup-Renten attraktiver und zugänglicher zu machen. Die folgenden Hauptaspekte werden dabei in den Vordergrund gestellt:
1. Flexibilisierung der Auszahlungsphase:
Verbraucher sollen künftig mehr Wahlfreiheit erhalten, wie sie ihre Rentenphase gestalten möchten. Statt einer starren Leibrente können sie zwischen verschiedenen Optionen wählen, wie etwa einem Fonds-Auszahlplan oder einer lebenslangen Rentenversicherung.
2. Garantiestufen für mehr Flexibilität:
Geplant sind drei unterschiedliche Garantiestufen, bei denen Verbraucher wählen können, wie viel Sicherheit sie wünschen. Die Optionen reichen von einer 100-prozentigen Garantie über 80 Prozent bis hin zu keinerlei Garantien. Das gibt den Sparern mehr Flexibilität, birgt aber auch höhere Risiken, insbesondere wenn sie sich für eine renditeorientierte Variante ohne Garantie entscheiden.
3. Steuerliche Anreize:
Ab 2030 sollen Eigenbeiträge bis zu 3.500 Euro steuerlich geltend gemacht werden können. Dies stellt eine wesentliche Verbesserung insbesondere für Selbstständige dar, die bisher oft Schwierigkeiten hatten, ihre private Altersvorsorge angemessen zu fördern.
4. Digitalisierung der Beratung:
Eine digitale Vergleichsplattform soll etabliert werden, die es Verbrauchern ermöglicht, zertifizierte Altersvorsorgeprodukte kostenlos zu vergleichen. Dies soll den Zugang zu passenden Produkten erleichtern und mehr Transparenz in den Markt bringen.
5. Förderung von bestehenden Riester-Verträgen:
Bestehende Riester-Verträge sollen durch Anhebung des Sonderausgaben-Höchstbetrags auf 3.500 Euro aufgewertet werden. Zudem soll ein Verzicht auf die Restverrentung möglich sein, wenn sich die Vertragsparteien auf einen Auszahlungsplan einigen.
6. Abbau von Bürokratie:
Maßnahmen wie die Vereinfachung der Eigenheimrente und der Wegfall bestimmter Regelungen sollen die Verwaltung und Nutzung von Altersvorsorgeprodukten erleichtern.
Positive Reaktionen
Verschiedene Interessenvertreter begrüßen den Reformvorschlag als überfällig und notwendig, um die private Altersvorsorge den heutigen Bedürfnissen anzupassen:
– Bundesverband Investment und Asset Management (BVI)
sieht in der Reform einen „großen Wurf“, da sie erstmals das starre System der 100-prozentigen Beitragsgarantie aufbricht. Diese Flexibilität ermöglicht renditestärkere Anlagen, was die private Altersvorsorge insbesondere für junge Sparer attraktiver macht.
– AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V.
begrüßt ebenfalls die Flexibilisierung der Auszahlungsphase, sieht jedoch das Risiko, dass Verbraucher ohne qualifizierte Beratung die falschen Entscheidungen treffen könnten. Der Verband fordert daher verbindliche Beratungsstandards, um sicherzustellen, dass die Sparer die Chancen und Risiken ihrer Investitionen vollständig verstehen.
– BVK (Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V.)
lobt die Modernisierung und die geplante Flexibilität, weist aber darauf hin, dass Altersvorsorge mehr als nur Vermögensaufbau sei. Der Verband fordert, dass Beratung zwingend erforderlich sein sollte, insbesondere um sicherzustellen, dass die Menschen im Alter nicht Gefahr laufen, auf Grundsicherung angewiesen zu sein.
Kritische Stimmen
Neben der positiven Resonanz gibt es auch kritische Stimmen, insbesondere hinsichtlich der langfristigen Absicherung. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) befürchtet, dass die Reform den Fokus zu stark auf kurzfristigen Vermögensaufbau legt und das Langlebigkeitsrisiko, also die Absicherung für ein langes Leben im Rentenalter, vernachlässigt wird. GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen betont, dass die Stärke der Lebensversicherung gerade in der lebenslangen Absicherung liege und nicht nur im Vermögensaufbau.
Fazit
Die geplante Reform der privaten Altersvorsorge stellt einen wichtigen Schritt dar, um den Markt zu modernisieren und flexibler zu gestalten. Sie fördert renditestärkere Anlagen und gibt den Sparern mehr Freiheit bei der Gestaltung ihrer Rentenphase. Allerdings bleibt die Herausforderung bestehen, eine Balance zwischen Rendite und Sicherheit zu finden, insbesondere in Bezug auf die lebenslange Absicherung. Während Branchenvertreter die Reform grundsätzlich unterstützen, bleiben Bedenken hinsichtlich der Beratungspflichten und der Absicherung von Rentnern im hohen Alter bestehen.