
Ein geplantes EU-Label namens „Finance Europe“ soll privates Kapital für europäische Zukunftsprojekte mobilisieren – etwa für den ökologischen Wandel, Digitalisierung oder Verteidigungsausgaben. Während die deutsche Versicherungswirtschaft das Vorhaben ausdrücklich begrüßt, warnen andere Marktakteur:innen vor Risiken für Verbraucher:innen. Wird das Label zum Meilenstein für die Altersvorsorge – oder zu einem Stolperstein für Rendite und Sicherheit?
Was hinter dem neuen EU-Label steckt
Sieben EU-Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Spanien, wollen ein freiwilliges Label für Spar- und Altersvorsorgeprodukte einführen. Dieses Label soll Finanzprodukte kennzeichnen, die einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung europäischer Ziele leisten. Geplant ist, dass mindestens 70 % des investierten Kapitals in europäische Vermögenswerte fließen – vor allem mit Fokus auf Aktien und einem langfristigen Anlagehorizont.
Ziel des Labels: Sparer:innen sollen eine verlässliche Orientierung erhalten, wenn sie mit ihren Rücklagen europäische Unternehmen stärken und gleichzeitig ihre Altersvorsorge sichern wollen.
Finanzierungsbedarf der EU wächst drastisch
Die Hintergründe für die Initiative sind klar: Die Europäische Union steht vor gigantischen Investitionsaufgaben. Laut Schätzungen werden jährlich bis 2030 rund 800 Milliarden Euro benötigt – etwa für den Green Deal, Digitalisierung und Verteidigung. Zwar verfügen europäische Haushalte über ein Finanzvermögen von fast 35 Billionen Euro, doch bisher wird dieses Kapital nur zu einem Bruchteil zur aktiven Zukunftsfinanzierung eingesetzt. Das EU-Label soll diesen Hebel aktivieren.
Versicherer befürworten das Label
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) unterstützt das Vorhaben ausdrücklich. GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen sieht darin eine doppelte Chance: „Das Label stärkt Investitionen in Europa und motiviert gleichzeitig zur Altersvorsorge.“ Die Versicherungswirtschaft verwalte schon jetzt Kapitalanlagen von rund 8 Billionen Euro allein in den großen EU-Ländern.
Wichtig: Laut GDV sollten auch garantiebasierte Produkte unter das Label fallen, etwa Lebensversicherungen. Sie böten Kapitalmarktzugang mit einem Sicherheitsnetz und damit Schutz vor Totalverlust – ideal für sicherheitsorientierte Sparer:innen.
Kritik: Geringere Renditechancen und Risiken für Sparer:innen?
Der deutsche Fondsverband BVI betrachtet das EU-Label hingegen kritisch. Hauptgeschäftsführer Thomas Richter warnt: „Das Label ist nicht für unerfahrene Sparer:innen geeignet, da es unter anderem illiquide Anlagen ermöglicht.“ Zudem werde das mögliche Anlageuniversum stark eingeschränkt, was langfristig zu niedrigeren Renditechancen führen könne.
Auch steuerliche Anreize seien bislang nicht ausreichend geregelt – ein wichtiger Punkt für die Attraktivität des Modells.
aba warnt vor Interessenkonflikten bei Altersversorgung
Auch die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) mahnt zur Vorsicht. Zwar könnten Altersversorgungseinrichtungen Kapitalgeber für europäische Investitionen sein, doch dürften soziale Funktionen und Renditeziele nicht zugunsten politischer Zielsetzungen geopfert werden.
Fazit der aba: Nur wenn das Rendite-Risiko-Verhältnis europäischer Investments attraktiv ist, können Versorgungseinrichtungen stärker in der EU anlegen, ohne ihre Verpflichtung gegenüber Versorgungsberechtigten zu gefährden.
Fazit: Orientierung ja – aber nicht um jeden Preis
Das EU-Label „Finance Europe“ kann ein bedeutender Schritt sein, um Kapital für Europas Herausforderungen zu mobilisieren und gleichzeitig die private Altersvorsorge zu fördern. Doch der Teufel steckt im Detail: Die Balance zwischen Rendite, Risiko und Sicherheit ist entscheidend. Wer langfristig vorsorgen will, sollte das Label als Orientierung nutzen – aber stets mit einer fundierten Beratung und einem kritischen Blick.